RÜCKWÄRTS klappt noch nicht so gut, oder?

Kennst du das? Du stehst an der Hallentür, es kommt dir jemand entgegen und du musst rückwärts mit deinem Pferd ausweichen. Du sagst ZURÜCK und dein Pferd sagt NEIN. Oder dein Pferd hat Angst vor der blauen Tonne, die an seiner rechten Seite auftaucht. Es springt nach links, aber da stehst du ja schon. Egal. Es drängelt in dich rein. Du klopfst auf seine Schulter und sagst: „Hey lass das, geh zurück!“, aber es stürmt nach vorn, und wärst du nicht schnell zu Seite gegangen, hätte es dich umgerannt.

Selbst wenn ihr, also dein Pferd und du, dieses Problem nicht habt, dann hast du es schon häufiger bei anderen gesehen, stimmts?

Eine Pferdelänge rückwärts richten…

Beim Reiten sieht es ja oft auch nicht anders aus. Du sitzt auf dem Pferd, Dressurstunde, eine Pferdelänge rückwärts richten – Pustekuchen. Es tuts einfach nicht, da musst du schon massiv werden. Die Reitlehrerin ruft „Annehmen, Zügel kürzer und in die Hilfen hineintreiben, dann geht er schon. Sonst nimm mal die Gerte.“ Oder so ähnlich. Am Ende ziehst du am Zügel, und es werden drei oder vier unwillige Schritte nach hinten. Nicht so schön, findest du.

Ehrlich gesagt habe ich das früher, am Anfang meiner Reiterkarriere mit meinem arabischen Seidenfädchen Gamaal, andauernd erlebt, aber gar nicht so ernst genommen. Ich hab ja immer gedacht, wir sind auf dem Weg. Die paar Problemchen, das schaffen wir schon. Klar, der GING nicht gern rückwärts, ich MUSSSTE am Zügel ziehen, das FÜHLTE sich nicht gut an, aber soooo oft gab es diese Situationen ja auch nicht. Andere Sachen waren wichtiger, hab ich gedacht.

Ich bin dann mal weg!

Ich bin als PartnerschaftsTrainerin heute oft mit Menschen und Pferden zusammen, die ihr Verhältnis verbessern möchten. (Also die Menschen möchten das, die Pferde möchten wahrscheinlich lieber auf der Wiese stehen und Gras rupfen.) Und ich stelle fest, dass sehr viele Pferde nicht weichen möchten. Manche machen aus dem Vorwärts sogar eine Strategie. Das geht von „Ich bin dann mal weg“ bis „Mir ist egal, wer mir im Weg steht, niemand hält mich auf“.

Bei Gamaal musste ich, als ich endlich (viel zu spät) anfing, daran zu arbeiten, häufig die 4 Phasen der wohlwollenden Bestimmtheit anwenden, fast immer bis zu einer sehr deutlichen Phase 4. Der stieg nämlich lieber, als dass er rückwärts ging. Er machte seine Beine breit, rammte die Hufe in den Boden und sagte „Nö, ich steh hier gut. Rückwärts ist unnötig“. Zunächst nicht böse, aber wenn ich konsequent blieb, zeigte er ganz deutlich, dass es ihm ernst war mit seinem NEIN. Tja, und dann? Was macht man dann?

Viel zu viel Druck…

Ich habs geschafft am Ende, leider mit viel Aufwand und viel Druck. Heute denke ich, hätte ich mal eher damit angefangen, dann wäre es nicht soweit gekommen. Aber „Hätte, hätte, Fahrradkette“, sagt meine Tochter. Es ist, wie es ist. Und es ist gut, wenn man überhaupt anfängt, oder?

Als PartnerschaftsTrainerin gehe ich heute mit solchen Situationen leider oft um. Pferdegerechte Partnerschaft und achtsame Führung bestehen nicht allein aus Liebe und Freundlichkeit, sondern auch aus Umsicht, Konsequenz und liebevollen Grenzen. In besonders hartnäckigen Fällen braucht es gute Strategien und viel Erfahrung.

Ein Beispiel aus der Praxis:

Dimbara ist so eine tolle Black Beauty Stute aus der Rubinstein-Linie. Sie hat leider gelernt, dass Menschen nicht respektiert werden müssen. Wie du mir, so ich dir, nehme ich an: Sie ist früher gar nicht respektvoll behandelt worden, und Pferde lernen so schnell! Also geht sie heute einfach los, wenn ihr irgendetwas nicht gefällt, z. B. wenn sie Gras sieht, wenn sie sich erschreckt oder auch mal einfach nur so beim Reiten an der Aufstieghilfe, selbst wenn erst ein Fuß der Reiterin im Bügel ist. Weil sie will.

Und halt du mal 600 Kilo auf, das geht auch nicht mit Knotenhalfter, Trense oder Steiger, sagt Laura. Und da hat sie recht. Laura ist 17 und hat die schwarze Maus seit einem halben Jahr übernommen. Ihre Eltern finden, dass es gefährlich für Laura werden kann. Das finde ich auch, und deshalb trainiere ich mit ihr.

Vielleicht hast du auch Lust herauszufinden, ob dein Pferd gut mit dir zusammenarbeitet, ob es dich wirklich respektiert und ob du deiner Verantwortung deinem Pferd gegenüber nachkommen kannst (also es beschützen, es führen und auf es aufpassen kannst)? Hier sind 4 einfache Fragen, die du für dich beantworten kannst:

1. Wie oft kommt dein Pferd ungefragt in deine Individualzone hinein?

Die Individualzone oder auch persönliche Zone oder Komfortzone ist bei vielen Menschen sehr unterschiedlich bemessen. Stell dir zum Beispiel vor, du begrüßt jemanden per Handschlag. Beobachte mal, wie nahe du ihn an dich heranlässt. Bist du eher der Abstandstyp oder lässt du gern Nähe zu? Generell kann man seine private Zone so erkennen: Breite deine Arme aus und dreh dich im Kreis. Die Linie, die deine Fingerspitzen in die Luft zeichnet, beschreibt deine persönliche oder private Zone. (Das merkst du zum Beispiel auch, wenn du im Supermarkt an der Kasse stehst, und jemand rückt dir zu nah auf die Pelle. Der dringt dann in deine persönliche Zone ein, und das fühlt sich nicht gut an, oder?) Beobachte einfach einmal achtsam, wie dein Pferd sich dir annähert.

2. Kannst du dein Pferd nur mit deinem Körper und deinem Ausdruck rückwärts aus deiner Privatzone schicken?

Bei unseren Pferden beachten wir unsere Privatzone gar nicht so häufig wie in dem Beispiel im Supermarkt. Es ist uns ja gar nicht so unangenehm, wenn unsere Pferde uns nahe kommen. Aber wir registrieren oft auch nicht, was das für unser Pferd bedeutet, wenn es immer ungefragt in unseren Bereich kommen darf. Das hat schon etwas mit Respekt zu tun. Eine Leitstute in einer Herde zum Beispiel lässt nur bestimmte Pferde in bestimmten Situationen zum Fellkraulen in ihre Nähe, und diese Pferde kommen auch nie ohne Einladung. Pferde sind Genies im Lesen der Körpersprache, sie lesen die leisesten Zeichen, auch bei uns!
Wenn du dein Pferd also nicht so leicht zurückschicken kannst, probier doch mal aus, was und wie viel du tun musst, damit es funktioniert.

3. Wie leicht fällt es dir beim Reiten, dein Pferd rückwärts zu richten?

Die verschiedenen Reitweisen benutzen natürlich unterschiedliche Hilfen. Mir geht es einfach darum, ob du es allein über deinen Sitz tun kannst, oder ob du deine Hand benutzt (Hand schließen oder heben), ob du vielleicht wie ich damals am Zügel rückwärts ziehen oder ggf. die Gerte oder die Sporen einsetzen musst. Und schau doch mal, wie sich das für dich genau anfühlt. Wie reagiert denn dein Pferd? Ist es aufmerksam bei dir, Ohren vorn oder hinten, willig oder unwillig, fühlt es sich weich oder hart an? Es gibt so viele Möglichkeiten. Gut wenn du weißt, wie es wirklich ist, finde ich.

4. Wie oft gehst du selber in die persönliche Zone deines Pferdes hinein ohne zu fragen?

Wenn du in die Box deines Pferdes gehst oder auf die Weide, um es mit dem Halfter abzuholen, bist du dann vorsichtig, achtsam, zielstrebig oder direkt? Gibst du ihm Gelegenheit dich zu begrüßen, sagst du ihm, dass du es toll findest? Streichelst du es zur Begrüßung? Beobachte auch seine Reaktion auf deine Annäherung. Dreht es sich zu dir um oder schaut es in eine andere Richtung? Gamaal ist früher grundsätzlich weggegangen, wenn ich auf den Paddock gekommen bin. Das hat mir immer echt weh getan, aber ich hab erst viel später gemerkt, woran das gelegen hat. (Es hatte viele Gründe!)
Ist dein Pferd freundlich, wenn du kommst, oder eher skeptisch oder sogar ablehnend? Sind eure Verhaltensweisen gleich, oder bist du freundlich und vorsichtig und dein Pferd ablehnend? Vielleicht ist dein Pferd unsicher und du bestimmt und schnell?

Wenn du dir diese Fragen ehrlich beantwortet hast, weißt du schon eine ganze Menge über euer Verhältnis. Du hast dich jetzt eine Weile mit dir und deinem Pferd gedanklich oder sogar aktiv beschäftigt und viele Dinge herausgefunden. Vielleicht wusstest du das alles schon vorher, vielleicht hast du aber auch Neues bemerkt. Jedenfalls – und das finde ich toll – bist du ihm jetzt ganz nahe!


Zum Schluss kommen noch meine versprochenen 4 BACK-Tipps, mit denen du euer Verhältnis verbessern und gut für eure persönliche Zone sorgen kannst:

BACK bedeutet zurück, das weiß ja jeder…

B für Bestimmtheit:

Wenn du bemerkt hast, dass dein Pferd dir oft zu nahe kommt, ohne dass du es aufgefordert hast, schick es aus deiner Komfortzone einfach wieder raus – ganz freundlich, aber auch ganz bestimmt! Wie du das tust, bestimmst am besten du selbst.

A für Ausdauer:

Du weißt sicher, dass es wenig nutzt, Übungen, die zum Erfolg führen sollen, nur ein oder zweimal durchzuführen. Du musst es konsequent tun, wenn du etwas erreichen möchtest. Also Ausdauer ist sehr wichtig. Wenn dein Pferd zum Beispiel immer als Erster aus der Halle stürmen möchte, schick es generell 2 Schritte zurück. Jedes Mal, also IMMER. Mit Ausdauer und dem Gedanken „Das wird schon“. Deine positive Einstellung ist ganz wichtig für dein Pferd und für dich natürlich auch.

C für Chillen:

Wenn dein Pferd etwas richtig gut gemacht hat, gib ihm eine Pause und chill kurz mit ihm. Pferde haben Pausen gern, genauso wie Futter. Es sind Fluchttiere, die ihren Komfort in der Natur darin finden, in Ruhe zu grasen. Also, du kannst zu den Pausen auch Leckerchen einsetzen, wenn du glaubst, dass es deinem Pferd die Übung leichter macht.

K für Kreativität:

Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt, hat Albert Einstein gesagt. Sei kreativ und phantasievoll, wenn du deinem Pferd erklären willst, dass es dich respektieren soll. Du kannst es rückwärts schicken, seitwärts, seine Schulter verschieben oder seine Hinterhand, und dann wieder rückwärts. Hauptsache, du behältst deinen sicheren Stand, während du es bewegst. Beobachte einfach, was es besser macht.

Ich meine damit: Sei wachsam, achtsam, standfest, konsequent und sehr freundlich.

Und lass dich nicht verunsichern, wenn etwas einmal nicht so gut klappt, wie du möchtest. Denk einfach an das A in BACK: Es ist die Ausdauer, die am Ende alles gut werden lässt.

Und wenn du Unterstützung brauchst, such dir eine gute Trainerin und ruf mich an 🙂